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Ladenetzwerke – Die Lebensadern der Elektromobilität

Für das Aufladen von Elektrofahrzeugen gibt es zwei primäre Szenarien, die sich deutlich voneinander unterscheiden.

Die große Mehrheit der Autos steht jeden Tag mehrere Stunden an einem Standort, sei es am Arbeitsplatz oder über Nacht auf dem privaten bzw. öffentlichen Parkplatz. Was liegt da näher als das Fahrzeug während dieser Zeit an das Stromnetz zu hängen, aufzufüllen und jede Fahrt mit vollem Akku anzutreten?
Bei langen Standzeiten spielt die Ladegeschwindigkeit eine untergeordnete Rolle, die Ladestationen können daher technisch verhältnismäßig einfach aufgebaut sein und benötigen keine aufwändigen und teuren Starkstrom-Anschlüsse. Wichtig ist hier, dass die Lademöglichkeit sich direkt oder nahe am Zielort befindet, also beim Arbeitgeber, zu Hause in der Garage oder auf dem Hotelparkplatz.

Aufladen während der Kaffeepause

Von den meisten Autofahrern seltener genutzt, aber nicht weniger wichtig, ist das Laden während Langstreckenfahrten. Da auch die besten Elektroautos nach etwa 500 Kilometern spätestens wieder aufgeladen werden wollen und niemand stundenlang bis zur Weiterfahrt warten möchte, ist es wichtig hier hohe Stromstärken über Schnellladestationen bereit zu stellen, idealerweise an Autobahn-Raststätten oder anderen leicht erreichbaren Verkehrsknotenpunkten.

Die Schnellladestationen von Tesla befinden sich meist entlang der großen Autobahnen

Neben dem bereits vorbildlich ausgebauten Schnellladenetzwerk von Tesla gibt es in Deutschland mehrere Projekte zum Aufbau öffentlicher Ladenetzwerke entlang der Autobahnen, wie etwa SLAM, dem sogenannten „Schnellladenetz für Achsen und Metropolen“ oder dem Investitionsprogramm des Autobahnraststätten-Betreibers „Tank & Rast“ zur Ausstattung von rund 400 Raststätten mit Schnellladestationen.

Hast du mal ne Karte?

Die Anzahl der Lademöglichkeiten in Deutschland nimmt ständig zu, auch wenn uns andere Länder was den Ausbau angeht noch um Jahre voraus sind. Japan etwa hat mittlerweile mit über 40.000 Stück mehr Ladestationen als es dort Tankstellen gibt. In China hingegen sind die Bewohner recht kreativ, dort kann man in manchen Wohnvierteln sprichwörtlich an jedem Gartenzaun laden, wo dann der Strom von Privatanbietern gegen eine geringe Gebühr angeboten wird – im streng reglementierten Deutschland natürlich undenkbar!

Das Problem in Europa ist die Vielzahl der verschiedenen Anbieter und Abrechnungsmodelle, seien es regionale Stadtwerke und Stromanbieter, Supermarktketten oder die Fahrzeughersteller selbst. Natürlich hat jeder sein eigenes System mit eigener Kundenkarte, seine eigenen Preise und oft auch noch verschiedene Ladeanschlüsse.
Die unterschiedlichen Standards sind ein bekanntes Problem vieler Technologien, die sich schneller etabliert haben als die Entwicklung politisch gesteuert werden konnte. In Europa ist man aktuell bemüht sich auf einen Standard zu einigen und in Deutschland gibt es eine Ladesäulenverordnung, die zukünftig den Ausbau der Infrastruktur regelt und die Standards festlegt.

Ein Netz, um sie zu vereinen

Um die vielen verschiedenen Anbieter unter einen Hut zu bringen gibt es die sogenannten „Service Provider“, die entweder einen Verbund verschiedener Anbieter darstellen oder ein über verschiedene Anbieter hinweg vereinheitlichtes Abrechnungssystem anbieten.

So bietet etwa „Ladenetz.de“ eine Ladekarte an, die aus einer Kooperation von Stadtwerken entstanden ist. Der niederländische Ladeinfrastruktur- und Service-Anbieter „The New Motion“ ist mit über 14.000 Ladepunkten das größte europäische Ladenetz mit der höchsten Nutzungsrate. Bei „Plugsurfing“ hingegen versucht man möglichst viele Lademöglichkeiten verschiedenster Anbieter unter einen Hut und auf eine Abrechnung zu bringen und bietet mit 25.000 nutzbaren Ladepunkten in Europa eine solide Basis um mit dem Elektroauto quer durch Europa zu touren.

Die verschiedenen Netzwerke kooperieren auch untereinander, sowohl national als auch international, was dann als „Roaming“ bezeichnet wird, zudem wird in der Regel eine App für das Smartphone angeboten, die einem die Suche der nächstgelegenen Lademöglichkeit vereinfacht.

Neue Konzepte für jeden Ladegeschmack

Da es wesentlich einfacher ist einen Stromanschluss bereitzustellen, als eine Tankstelle mit zugehöriger Infrastruktur aufzubauen, gibt es diverse innovative Konzepte, um das Laden für Besitzer von Elektrofahrzeugen noch angenehmer zu gestalten. Drei davon möchte ich hier vorstellen und natürlich gibt es viel mehr, zum Teil recht verrückte Ideen, wie etwa das Ladekarussel des chinesischen Herstellers BYD, bei dem 12 Fahrzeuge übereinander auf einer Stellfläche von 42 qm aufgeladen werden können.

Am wenigsten spektakulär, aber mit Vorbildcharakter – und hoffentlich vielen Nachahmern – ist die Entscheidung von ALDI Süd, all diejenigen Filialen, die über eigene Stellplätze verfügen, mit Lademöglichkeiten auszurüsten. Mittlerweile bieten über 50 Standorte Schnelllademöglichkeiten für Autos und jeweils drei Ladepunkte für Elektrofahrräder.

Während des Einkaufens lädt das Elektroauto kostenlos auf

Simpel, aber pfiffig ist das Projekt „Light & Charge“ von BMW, bei dem an Straßenlaternen Ladegeräte montiert sind. Dies ermöglicht auch allen, die keinen eigenen Stellplatz mit Lademöglichkeit zur Verfügung stehen haben, ihr Fahrzeug während des Parkens zu laden. In München existieren bereits Prototypen, die allerdings, wie man hört, mangels entsprechender Beschilderung meistens zugeparkt sind.

Aufladen an der nächstbesten Straßenlaterne bietet BMW mit dem Projekt Light & Charge

Laden und Chillen

Das Konzept der „Charge Lounges“ vom Fraunhofer-Institut besteht aus mobilen Raummodulen, in denen 3 Schnellladestationen, ein Pufferakku und ein Aufenthaltsbereich mit WLAN und Erfrischungsgetränken untergebracht sind. Der Pufferakku ermöglicht eine hohe Ladeleistung ohne aufwändige Starkstrom-Installation, durch die Bauweise kann das Einrichten der Charge Lounge ohne größere Fundamentarbeiten erfolgen.
Für die Zukunft denkbar wären mobile Ladecontainer, die je nach Saison, wie beispielsweise in der Urlaubszeit, an neuralgischen Punkten die bestehende Infrastruktur sinnvoll ergänzen und somit entlasten.

Die mobilen Charge Lounges von Fraunhofer sind bunt, praktisch und flexibel

Diese drei Konzepte lassen ein wenig erahnen, was uns in Zukunft noch alles erwartet, nämlich die zunehmende Verbreitung von Lademöglichkeiten, egal ob am Arbeitsplatz, bei den angesagten Locations in der Innenstadt oder am Urlaubsort.
Der Fantasie sind aufgrund der praktisch überall verfügbaren Stromanschlüsse kaum Grenzen gesetzt und dank zunehmender Vernetzung sowie günstiger werdender Pufferakkus enstehen laufend neue Nutzungskonzepte, die die Flexibilität und den Komfort bei der Nutzung immer weiter erhöhen.

Fazit

Der Siegeszug des Elektroautos und der Ladestationen ist aufgrund der guten Voraussetzungen meiner Ansicht nach nicht mehr aufzuhalten. Der quasi überall verfügbare Strom bietet neben vielen neuen Technologien auch eine zunehmende Unabhängigkeit von den fossilen Kraftstoffen, die zentral von nur wenigen Großunternehmen bereitgestellt werden, mit all den damit verbundenen Nachteilen und weltweiten Problemen.

Das Ziel beim Aufbau der Lade-Infrastruktur sollte es sein, dass man, wie beim Telefon, am Ende nur eine Rechnung für das Aufladen seines Fahrzeuges bekommt, und dass man nicht eine Vielzahl unterschiedlicher Kundenkarten in der Brieftasche mit sich schleppen muss.
Zudem wäre es wünschenswert in der Navigation des eigenen Autos bereits alle öffentlichen Ladepunkte zuverlässig vorzufinden, idealerweise mit einer Information ob diese gerade belegt sind oder nicht. Beim Supercharger-Netzwerk von Tesla ist dies alles bereits verwirklicht worden, die meisten Besitzer dieser Fahrzeuge laden fast nur dort und auf ihrem privaten Stellplatz – die anderen Ladenetzwerke dienen dann nur noch um ein besseres Gefühl zu haben, falls man in einer Gegend landet, wo die Infrastruktur noch nicht so engmaschig ist, wie es bei den Superchargern in Westeuropa der Fall ist.

Ein Ärgernis ist momentan noch die uneinheitliche Beschilderung an Ladestationen, die dazu führt, dass Elektrotankstellen – meist ohne böse Absicht – von Verbrenner-Fahrzeugen zugeparkt werden. Hier helfen neben Information und Aufklärung am Ende nur Parkverbote mit klar definierten Ausnahmen für ladende Elektrofahrzeuge und die konsequente Durchsetzung des Parkverbots. Es ist meiner Meinung nach nur eine Frage der Zeit, bis hier von den verantwortlichen Behörden klare Regeln geschaffen werden müssen, spätestens wenn zu viele Beschwerden aufgrund zugeparkter Ladestationen von Seiten der Nutzer eintrudeln.

Es wird spannend, die weitere Entwicklung in diesem Bereich zu verfolgen, nun, wo die Bundesregierung mit der Ladesäulenverordnung und Fördermitteln in dreistelliger Millionenhöhe zumindest erste Ansätze erkennen lässt, an der – im Vergleich zu anderen Ländern – noch am Anfang der Entwicklung befindlichen Lade-Infrastruktur in Deutschland etwas zu verbessern.