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Datenkrake Tesla? – Informationelle Selbstbestimmung im digitalen Zeitalter

Wer Sicherheit der Freiheit vorzieht, ist zu Recht ein Sklave.

Aristoteles, Philosoph, 350 v. Chr.

In Zeiten abstrakter Gefahren neigen die Menschen dazu, nach dem Staat zu rufen, der sie mit allen Mitteln vor dem unbekannten Übel beschützen soll. Dieses Verlangen nach Sicherheit wird nicht immer rational gegenüber unseren wichtigsten Grundrechten abgewogen, wie die Anti-Terror-Gesetze der letzten Jahre oft eindrucksvoll – im negativen Sinne – aufgezeigt haben. Hausdurchsuchungen bei Nacht, Ausgangssperren, Sicherheitszonen, in Frankreich ist dies seit den Pariser Anschlägen leider zur Tagesordnung geworden und das ausgerechnet in dem Land, das sich die Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit auf die Fahne geschrieben hat.

Die Freiheit führt das Volk – Machtergreifung des Bürgertums im Rahmen der Julirevolution 1830

Auch im Bereich der elektrischen Mobilität gibt es, durchaus berechtigte und nachvollziehbare, Gründe nach mehr Überwachung zu verlangen, etwa um Unfälle besser aufzuklären oder Fahrzeugdiebstähle zu erschweren.
Doch wo sind die Grenzen und wie sieht die Rechtslage in Deutschland aus?

Ein Grundrecht, das nicht verhandelbar ist

Der Erste Senat des Bundesverfassungsgericht hat in seinem Volkszählungsurteil vom 15. Dezember 1983 das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung formuliert und festgestellt, dass dieses Grundrecht für eine funktionierende, freiheitlich-demokratische Grundordnung von essentieller Bedeutung ist:

Mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung wären eine Gesellschaftsordnung und eine diese ermöglichende Rechtsordnung nicht vereinbar, in der Bürger nicht mehr wissen können, wer was wann und bei welcher Gelegenheit über sie weiß. Wer unsicher ist, ob abweichende Verhaltensweisen jederzeit notiert und als Information dauerhaft gespeichert, verwendet oder weitergegeben werden, wird versuchen, nicht durch solche Verhaltensweisen aufzufallen. Wer damit rechnet, daß etwa die Teilnahme an einer Versammlung oder einer Bürgerinitiative behördlich registriert wird und daß ihm dadurch Risiken entstehen können, wird möglicherweise auf eine Ausübung seiner entsprechenden Grundrechte (Art. 8, 9 GG) verzichten. Dies würde nicht nur die individuellen Entfaltungschancen des Einzelnen beeinträchtigen, sondern auch das Gemeinwohl, weil Selbstbestimmung eine elementare Funktionsbedingung eines auf Handlungsfähigkeit und Mitwirkungsfähigkeit seiner Bürger begründeten freiheitlichen demokratischen Gemeinwesens ist.

Bundesverfassungsgericht, 1983

Hieraus folgern die Richter:

„Freie Entfaltung der Persönlichkeit setzt unter den modernen Bedingungen der Datenverarbeitung den Schutz des Einzelnen gegen unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe seiner persönlichen Daten voraus. Dieser Schutz ist daher von dem Grundrecht des Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG umfaßt. Das Grundrecht gewährleistet insoweit die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen.“

Die Selbstbestimmung über den Umgang mit personenbezogenen Daten und der Schutz selbiger ist eines der wertvollsten Grundrechte eines deutschen Bürgers, auch wenn es nicht direkt im Grundgesetz formuliert ist. Einschränkungen sind nur auf gesetzlicher Grundlage möglich. Dabei hat der Gesetzgeber abzuwägen zwischen dem Geheimhaltungsinteresse des Betroffenen und dem öffentlichen Informationsinteresse der verarbeitenden Stelle.

Wenn etwa ein Unternehmen personenbezogene Daten sammelt, dann muss es die Zustimmung des Betroffenen vorab einholen und, auf Wunsch, sowohl Auskunft über die gespeicherten Daten geben, als auch eine Löschung vornehmen.

Big Brother – Was speichert mein Auto über mich?

Der sogenannte Fehlerspeicher im Steuergerät von Kraftfahrzeugen diente ursprünglich dazu, Unregelmäßigkeiten aufzuzeichnen, um bei einem Wartungsaufenthalt in der Werkstatt mögliche technische Defekte einfacher und bereits vor einem Ausfall erkennen zu können. Die erkannten Fehler sind nichtflüchtig gespeichert und können in der Werkstatt ausgelesen werden. Mit der zunehmenden Digitalisierung und Vernetzung im Automobilbereich wurden immer mehr, der während des Fahrzeugbetriebs angefallenen Daten, in die Protokoll-Dateien abgespeichert. Hierbei handelt es sich nur dann nicht um personenbezogene Daten, wenn kein unmittelbarer Bezug zum Fahrer hergestellt werden kann.

Moderne Fahrzeuge speichern jedes noch so kleine Detail in ihren Protokoll-Dateien

Mittlerweile kann man, aufgrund der Protokollierung der gesamten, durch die Sensorik und Elektronik des Fahrzeuges erfassten Aktivitäten, nicht mehr von einem reinen Fehlerspeicher sprechen. Die Hardware der Fahrzeuge mit Autopiloten und Online-Verbindung zum Hersteller, kann theoretisch alle erkannten Objekte und Personen, die einem bestimmten Muster entsprechen, direkt an die Zentrale weiter melden. Dadurch ist es möglich diese Autos als riesiges Netz mobiler Überwachungskameras zu missbrauchen. Beim Tesla Model S werden sogar zunächst belanglos erscheinende Dinge gespeichert, etwa wann die Türen geöffnet und geschlossen wurden. Und Datenerfassung ist nicht alles, selbst die Fernsteuerung der Türverriegelung ist technisch ohne weiteres möglich. Bei einem Schaden, der von der automatischen Einparkhilfe, aufgrund von Einschränkungen bei den Sensoren, verursacht wurde, wies Tesla einem Nutzer per detailliertem Protokoll nach, die Funktion falsch genutzt zu haben. Durch die gesammelten Daten werden Bewegungsprofile möglich, von denen so mancher Geheimdienst bisher nicht zu träumen wagte. Dass dies, insbesondere in totalitären Regimen, oder solchen, die sich auf dem Weg dorthin befinden, keine wünschenswerte Entwicklung darstellt, das sollte jedem einleuchten. Zwar hat speziell Tesla betont, dass man weder Daten über die Geschwindigkeit, noch die Positionsdaten des Fahrzeugs speichern würde, aber alleine die Tatsache, dass diese Daten theoretisch abgefragt werden können und man dies nicht selbstbestimmt verhindern kann, sehen viele Nutzer als äußerst bedenklich an.

Was bringt mir die Datensammlung im Auto?

Die Vorteile, die sich durch die Vernetzung und Digitalisierung im Auto bieten, sind allerdings auch nicht zu vernachlässigen. So lassen sich, durch das Sammeln von Daten vieler Verkehrsteilnehmer, bessere Stauprognosen erstellen, der Autopilot kann dazu lernen und auch die unberechtigte Nutzung eines Autos kann so erheblich erschwert werden. Die Frage, ob es einem persönlich wert ist, für eine bessere Stauprognose oder einen optimierten Autopiloten zum gläsernen Autofahrer zu werden, die muss jeder für sich selbst beantworten. Genau das garantiert uns in Deutschland das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Beweiskräftig aufgezeichnete Daten können im Verdachtsfall ebenso für wie gegen den Fahrer sprechen. Sie dienen in jedem Fall der Wahrheitsfindung.

Informationelle Selbstbestimmung in der Zukunft

Es ist umstritten, ob die aktuelle Praxis der Hersteller, sich im Kaufvertrag das Datensammeln pauschal absegnen zu lassen, tatsächlich ausreicht um solche umfassenden, personenbezogenen Daten zu erheben, zu verarbeiten und beliebig weiterzugeben. Auf jeden Fall muss der Hersteller auf Anfrage detailliert Auskunft über die gespeicherten Daten erteilen und diese auf Verlangen wieder löschen. Spätestens wenn dies zu Einschränkungen beim Betrieb des Fahrzeugs führt, wird das Thema höchstrichterlich entschieden werden müssen. So ist es eigentlich nicht zumutbar, dass man beim Kauf eines Gebrauchtwagen für den normalen Betrieb gezwungen wird, sämtliche vom Fahrzeug protokollierten Daten dem Hersteller zur Auswertung und Verarbeitung zu überlassen. Noch problematischer sind Versicherungsverträge zu sehen, die dem Versicherer den Zugriff auf erfasste Daten verschaffen.
Andererseits ist es auch verständlich, dass man bestimmte Online-Dienste nicht nutzen können wird, wenn man die dafür notwendigen Daten nicht zur Verfügung stellen möchte.

Die Fahrzeughersteller können diese datenschutzrechtlichen Probleme nun entweder ignorieren und abwarten bis sie, mit großen Sympathieverlusten, vom Gericht zur Einhaltung unserer Grundrechte gezwungen werden, oder sie setzen auf Transparenz und Selbstbestimmung der Nutzer, was ich für den wesentlich besseren Weg halte.

Der Nutzer bestimmt, was er preisgeben möchte

So, wie man es aus anderen Bereichen bereits kennt, sollten die Hersteller von Anfang an darauf achten, das Protokollieren und Weitergeben der vom Fahrzeug gesammelten Daten transparent zu machen und dem Nutzer die Wahl zu überlassen, in welchen Bereichen er dies zulassen möchte und wo nicht. Dies schafft Vertrauen, und wenn der Benutzer in der Speicherung der Daten einen Mehrwert für sich erkennt, dann wird er auch kein schlechtes Gefühl dabei haben diese Daten zur Verfügung zu stellen.
Das Konfigurationsmenu für die Datenschutz-Einstellungen, könnte beispielsweise wie folgt gestaltet sein:

Entwurf der Einstellungen für die Datenweitergabe und -protokollierung

Eine generelle Weitergabe der Fahrzeugdaten an die Hersteller, ohne Information was im Hintergrund überhaupt geschieht, ist aus den in den letzten Abschnitten genannten Gründen nicht nur rechtlich äußerst bedenklich, sondern, wie bereits erwähnt, unter Umständen für die Nutzer auch gefährlich, falls diese Daten in falsche Hände geraten.

Fazit und Ausblick

Das Bundesverfassungsgericht hat mit der Anerkennung der informationellen Selbstbestimmung als Grundrecht, klare Grenzen für die Sammlung personenbezogener Daten gezogen, deren Einhaltung uns ein besonderes Anliegen sein sollte. In Zeiten von Facebook, Google und selbstfahrenden Autos muss man sich die Zeit nehmen, zu entscheiden, ob die Verarbeitung, Auswertung und Weitergabe der eigenen, persönlichen Daten einem die Nutzung bestimmter Dienste wert ist, oder eben nicht.

Der Gesetzgeber ist verpflichtet, dieses Grundrecht, insbesondere gegenüber ausländischen Dienste-Anbietern, durchzusetzen und klare Regelungen zu schaffen, die allen Seiten gerecht werden, ohne an den Grundpfeilern des freiheitlich-demokratischen Gemeinwesen zu rütteln.

Angesichts der vielen, durch das Bundesverfassungsgericht kassierten, Gesetzesvorhaben der Großen Koalition und angesichts dessen, was von der Unverletzlichkeit der Wohnung oder dem Brief- und Fernmeldegeheimnis noch übrig geblieben ist, wäre es sehr naiv zu glauben, dass es in Westeuropa nicht passieren kann, dass die eifrig gesammelten Daten auch gegen die eigenen Bürger genutzt werden. Es ist daher unerlässlich, sorgsam in jedem Einzelfall abzuwägen, ob die Speicherung personenbezogener Daten dem Gemeinwohl dient oder eher das Potential hat, missbraucht zu werden.

Tesla könnte auch hier mit gutem Beispiel voran gehen und den anderen Hersteller aufzeigen, wie die Integration zukünftiger Mobilitätsdienste in eine moderne, freie Gesellschaft möglich ist, ohne die Persönlichkeitsrechte des Einzelnen zu opfern. Elon Musk wäre es tatsächlich zuzutrauen, dass er in diesem Punkt die kommerziellen Interessen des Herstellers dem Gemeinwohl unterordnet.