Kurz nach der Ausstellung der ersten Fahrzeuge in den Tesla Stores München und Düsseldorf, wurde offiziell bekannt gegeben, dass das europäische Model 3 mit einem Anschluss gemäß europäischem Standard für Schnellladung ausgeliefert wird, dem sog. Combined Charging System (CCS). Zunächst war ich etwas verwundert, da ich erwartet hätte, dass man einen Kombo-Anschluss verbaut, der sowohl kompatibel zum Supercharger-Netzwerk, als auch zu den europäischen CCS-Ladesäulen ist. Stattdessen werden die europäischen Supercharger nun um ein zweites Kabel erweitert, das den neuen CCS-Stecker zur Verfügung stellt und somit die Kompatibilität zum Model 3 gewährleistet. Wenn man etwas mehr darüber nachdenkt, dann ist die von Tesla gewählte Lösung die einzige vernünftige und zukunftsweisende, was ich in diesem Artikel etwas genauer beleuchten werde.
Vorteile des CCS-Standard
Grundsätzlich muss man wissen, dass Akkuzellen mit Gleichstrom geladen werden, während aus der Leitung der Energieversorger üblicherweise Wechselstrom kommt. Wenn man also ein Elektroauto an eine normale Steckdose oder eine Wallbox anschließt, muss der Wechselstrom erst in Gleichstrom transformiert werden, um die Akkuzellen zu laden. An Schnellladestationen wie den Superchargern wird der Gleichstrom direkt zu den Akkuzellen geleitet, ohne vorherige Transformation durch einen Gleichrichter. Der für die Ladung von Elektroautos an Wechselstrom gängige Stecker nennt sich „Typ 2“ und Tesla hat sich 2012 dazu entschieden diesen Stecker in Europa für das Model S zu nutzen.
Damit für eine Ladung am Supercharger kein zusätzlicher Ladeanschluss am Fahrzeug notwendig wird, haben die bisherigen Model S und X eine aufwändige Schaltung verbaut, die den Typ-2-Stecker für eine Ladung an Gleichstromquellen kompatibel macht. Je nachdem, ob das Fahrzeug an der Wallbox zu Hause mit Wechselstrom lädt oder am Supercharger mit Gleichstrom, hat der Stecker eine andere Belegung und eine andere Art der Ansteuerung.
Beim CCS-Standard hingegen, wurden einfach zwei zusätzliche Kontakte verbaut, über die das Gleichstrom-Laden erfolgt, während der obere Teil des Steckers und die Ansteuerung von der Belegung her exakt dem Typ-2-Stecker für Wechselstrom entsprechen.
Das hat den Vorteil, dass man mit einem Anschluss sowohl am Wechselstrom als auch am Gleichstrom laden kann, ohne im Fahrzeug zwischen den Kontakten hin- und herschalten zu müssen. Dies erklärt auch, warum sich Tesla dazu entschieden hat den fahrzeugseitigen Ladeanschluss gegenüber dem Model S und X nicht noch weiter zu verkomplizieren, sondern sogar zu vereinfachen, indem man auf das beim CCS-Standard nicht mehr notwendige Umschalten der Kontakte verzichtet.
Konsequenzen für Tesla
Zwar müssen nun einige hundert europäische Supercharger mit einem zweiten Kabel versehen werden, aber dies ist einfacher als hunderttausende von Model 3 dauerhaft mit aufwändiger Regelungstechnik zu produzieren. Zudem wird das Supercharger-Netz nun attraktiver für andere Autohersteller, deren Beteiligung am Ladenetzwerk ausdrücklich von Tesla erwünscht ist. Durch den bisherigen, proprietären Supercharger-Anschluss war die Hürde für eine Beteiligung an den Superchargern sehr hoch, was sich nun ändern dürfte.
Spannend wird zudem, ob das Model 3 an denjenigen CCS-Ladepunkten, die mehr Leistung bereitstellen als normale Supercharger, schneller laden kann als bisher gewohnt. Die ermittelten Ladekurven deuten jedenfalls darauf hin, dass beim Model 3 noch etwas Luft nach oben besteht und es durchaus möglich wäre das Leistungsplus mancher CCS-Ladestation zur weiteren Verkürzung der Ladezeit zu nutzen.
Zusammenfassung und Fazit
Das Model 3 kann, dank der CCS-Ladebuchse, nun sowohl an Typ-2-Chargern aufgeladen werden, etwa an Wallboxen oder den Tesla Destination Chargern, als auch an den gängigen CCS-Schnellladesäulen, zu denen zukünftig auch das europäische Supercharger-Netz zählt. Es wird darauf verzichtet, wie beim bisherigen Ladeanschluss des Model S und Model X, die Kontakte zwischen Wechsel- und Gleichstromladung hin- und herzuschalten, was die Elektronik im Fahrzeug vereinfacht. Durch den Umbau der Supercharger-Ladeplätze auf ein zusätzliches CCS-Kabel wird zudem das Netzwerk von der Hardware kompatibel zu vielen anderen Elektroautos, deren Hersteller nun entscheiden müssen, ob sie sich am Tesla-Ladenetz beteiligen oder an anderen Ausbau-Initiativen, etwa Ionity oder Fastned.
Für uns Kunden ist dieser Schritt sehr begrüßenswert, denn einerseits wird das Model 3 nun beim Aufladen eine konkurrenzlose Flexibilität bieten und das von anderen Fahrzeugen gewohnte Adapter-Chaos beenden. Andererseits hilft es der Elektromobilität mittelfristig, wenn das Supercharger-Netzwerk den europäischen CCS-Standard unterstützt und somit die Hürden zur Beteiligung weiterer Hersteller gesenkt werden. Tesla zeigt mit diesem Schritt, dass Ihnen das Vorankommen der Elektromobilität als Ganzes wichtiger ist, als die kurzfristige Gewinnmaximierung unter Ausnutzung der aktuell bestehenden Wettbewerbsvorteile.